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Fritz Bauer

Fritz Bauer

Richter, Staatsanwalt
1903 (Stuttgart)–1968 (Frankfurt/Main)

Sein Urgroßvater Leopold Hirsch war vierhundert Jahre nach der Vertreibung aller Juden aus Tübingen der erste und für lange Zeit einzige, der dort einen Neuanfang versuchte. Vom missionarischen Geist dieses Vorkämpfers jüdischer Emanzipation war auch Fritz Bauer beseelt. Der Bürgerssohn wandelte sich früh zum sozialreformerischen Idealisten. Er ging in den Justizdienst der Weimarer Republik, wurde vom NS-Terror aus dem Amt vertrieben und ins KZ geworfen, floh 1936 nach Dänemark und dann im Herbst 1943 ins neutrale Schweden. Dort dachte er in der Exil-SPD, im Kreis von Willy Brandt, über Deutschlands Zukunft nach. 1945 publizierte Bauer ein Buch mit der völkerrechtlichen Forderung «Die Kriegsverbrecher vor Gericht.» Bauer hoffte vergebens, die Deutschen selbst würden die Sache der Gerechtigkeit in die Hand nehmen: «Ein ehrliches deutsches ‚J’accuse’ würde das ‚eigene Nest nicht beschmutzen’ (…). Es wäre ganz im Gegenteil das Bekenntnis zu einer neuen deutschen Welt.»

Fritz Bauer, 1949 aus dem Exil ganz bewusst nicht in die Politik, sondern in die deutsche Justiz zurückgekehrt, wurde zum drängenden Förderer einer humanen Strafrechts- und Strafvollzugsreform und einer Verantwortung des Rechtswesens für die Demokratie. Zugleich erlebte er nach dem Ende der alliierten «Entnazifizierung» empört, wie schnell die strafrechtliche Ahndung der deutschen Untaten erlahmte. Der Staatsanwalt Bauer wurde nun zum einsamen, hartnäckigen Kämpfer für ein moralisch besseres Deutschland. Bauers Forderung folgend stellte 1953 erstmals ein deutsches Gericht fest, dass das NS-System ein «Unrechtsstaat» gewesen sei. Bauers wichtigste, das deutsche Bewusstsein für immer verändernde Tat war aber der Frankfurter Auschwitz-Prozess von Dezember 1963 bis August 1965. Mit ihm wurden die monströsen Verbrechen aus dem verschleiernden Erinnern einer «Gesamtkatastrophe Weltkrieg» gelöst. Bauer war es auch, der Israel bei der Suche nach Adolf Eichmann den entscheidenden Hinweis gab.

Wenn Deutschland in der offenen Auseinandersetzung mit seiner verbrecherischen Vergangenheit heute vorbildlich ist, dann verdankt es dies vor allem Bauers – damals wenig geliebtem – Voranschreiten. 1968 ist der idealistische Jurist gestorben, erschöpft von der Riesenanstrengung, ein ganzes Volk zum Erinnern zu zwingen.

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